Lina & Carolina

Dieser Artikel wurde von Lina Levien ursprünglich für den brasilianischen Blog „Cantinho dos Cadeirantes“ geschrieben.

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Einzelkind und Einzelfrau *kicher*, unerschütterlicher Optimismus und immer zum Lachen bereit. Mein Name ist Carolina, aber online findet ihr mich als Lina Levien.

Eine geborene und gewachsene Brasilianerin, genauer gesagt Gaúcha, von 1994 bis 2014. Lebt im Moment sehr weit weg von ihrem Land mit dem Traum, eine sozial bewusste digitale Plattform zu schaffen, auf der Menschen ihr bestes Selbst ausdrücken und absichtlich ein bedeutungsvolles Leben kreieren können. (Wow, schamlose Eigenwerbung!)

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Zeit für eine Geschichte…

Seit ich 15 bin, habe ich eine Kondition namens Polymyositis – dadurch verliere ich einfach gesagt die Kraft meiner Muskeln. Ich war sehr abgeneigt, einen Rollstuhl zu benutzen, aber irgendwann in meinen 20ern musste ich; es war einfach besser für meine Fortbewegung. Aber ich fühlte mich gescheitert; ich hatte dieses Vorurteil vor mir und wollte damals das Haus nicht mehr verlassen, um „so“ nicht gesehen zu werden.

Erst als ich im Oktober 2014 auf der Suche nach neuen Behandlungen nach Deutschland gezogen bin wurde mir langsam klar, wie viel meiner Lebenszeit ich mit dieser Einstellung verlor.

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Ich begeisterte mich schon immer für viele, scheinbar nicht zusammenhängende Dinge: Schreiben, Bauchtanz, Psychologie, Kreativität, Spiritualität, Zeichnen, Kosmetik, Mode, Architektur und Unternehmerschaft, um nur einige zu nennen. 2016 fing ich dann an, einen Blog über einige dieser Interessen zu schreiben, der mein Leben komplett auf unvorhergesehen Weise beeinflussen sollte.

Später im Jahr 2016 dachte ich bei mir: „Carolina, du brauchst jetzt einen Rollstuhl, das ist okay. Das bedeutet nicht, dass du weniger Frau bist oder all die Dinge, von denen du träumst nicht sein, tun oder haben kannst. Du musst nicht darauf warten wieder laufen zu können, um glücklich zu sein“. Als ich diese Erleuchtung hatte, änderte sich meine Sichtweise und ich wusste, dass ich mich selbst und dabei auch meine Weltsicht neu bestimmen wollte. Und die Welt war schön, aber gnadenlos, wenn es um das Respektieren von Menschen ging, die irgendwie anders waren. Wir hatten zu Hause einen Insiderwitz – der kein Witz war – dass wenn mein elektrischer Rollstuhl geliefert würde, „mich niemand mehr aufhalte!“

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Mein Blog ist mein Kunstatelier. Dort zeige ich meine Kreativität und gegenwärtig meine Interessen in Schönheit und Mode mit wunderschönen visuellen Originalinhalten. Ich nehme meine Inhalte sehr ernst, aber mich selbst nicht. Ich kenne nicht alle Antworten (ich bin erst 23!!). Ich mache Fehler, habe schlechte Tage, Ängste und Selbstzweifel, wie der Rest der Menschheit. Aber ich bin engagiert, euch nur das beste das ich lerne und lebe zu bringen und dabei echt und ehrlich zu bleiben.

Ich habe noch viel mehr mit meinem Blog vor, aber er ist mein Baby und braucht Zeit und Pflege, um sich zu entwickeln. Darum war ich so begeistert, als Carol von Cantinho dos Cadeirantes mich einlud, diesen „kleinen Text über mich selbst“ zu schreiben – tut mir leid, Carol. Er wird etwas lang hihihi 🙂 Aber ich glaube, was sie hier tut, ist sehr wichtig und ich wollte ein Teil davon sein.

Leute denken oft, dass es unhöflich ist, über Einschränkungen – „Behinderungen“ – zu sprechen. Aber gerade diese Einstellung ist Schuld daran, dass die Gesellschaft darüber so desinformiert und mystifiziert darüber macht. Es ist ein Tabu, das gebrochen werden muss, wenn wir die Gegebenheiten ändern wollen. Es nervt, wenn man irgendwo nicht hineinkann, weil Stufen davor sind; es nervt, wenn man im Laden keine Klamotten anprobieren kann, weil sie außer Reichweite aufgehängt sind. Darum dürfen wir uns nicht schämen, uns zu äußern. Wir können Menschen nicht dafür beschuldigen, dass sie nicht wissen, was sie nicht wissen.

Ich erlaube meiner Einschränkung nicht, mich zu definieren – warum sollte ich? Technologie ist nicht mehr oder weniger als eine Erweiterung des menschlichen Wesens. Genauso wie ich meinen Rollstuhl benutze, um irgendwohin zu kommen, benutzt ihr euer Telefon um mit anderen zu kommunizieren. Aus diesem einfachen Grund will ich in der Lage sein, nach meinem freien Willen und meinen Rechten zu kommen und zu gehen, wo immer und wann immer ich es wünsche.

Es ist irgendwie schön, wenn man nach einem langen, köstlichen Essen ein Restaurant – ein cooles, in das jeder Mensch hineinkann – verlässt und alle anderen zu Fuß nach Hause gehen müssen! Ich muss nur meinen Steuerknüppel bewegen! Ha! Mein Mann sagt immer „Wenn ich das nur auch könnte!“ Spaß beiseite, ich tue Dinge offensichtlich anders und brauche dabei auch viel Hilfe, aber das heißt nicht, dass ich mich in meinem kleinen Zimmer verstecken will. Bestimmt nicht! Ich will all die tollen Erfahrungen, die das Leben zu bieten hat, erleben und nur ich kann das für mich tun.

Lina – wie ich mich in meinem Blog genannt habe – ist eine Kurzversion von Carolina, aber nur durch ein paar Buchstaben, denn im Verlaufe dieser Monate ist sie meine Heldin geworden. Ich kann nicht sagen, dass sie mein Alter Ego ist, weil wir viel gemeinsam haben, aber ich kann sicher sagen, dass sie meine zweite Haut ist. Lina hat Züge (z.B. schamlose Eigenwerbung), die Carolina nicht hat und umgekehrt. Ich kann nur alles im Leben sein, tun, geben und haben, weil ich beide bin.

Du musst nach dem gehen, was du willst. Beweg dich. Wie du kannst. Aber beweg dich. Und kämpfe für deine Rechte.

Mit all unserer Zuneigung,

Lina & Carolina.

P.S.: Hier in meinem Blog könnt ihr mehr über mich und mein Projekt Die Kunst Sich Neu Zu Definieren lesen.

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